Das Internet wird immer allgegenwärtiger. Mit rund fünf Milliarden weltweiten Nutzern und einem Anteil von ungefähr 15 % am globalen BIP beläuft sich der Wert der Internetwirtschaft auf etwa 15 Billionen US-Dollar – eine Zahl, die 2,5-mal schneller wächst als das BIP. All dies macht das Internet leider auch für Kriminelle attraktiv.
Anlass zur Sorge geben vor allem betrügerische Methoden wie Phishing, der Online-Verkauf gefälschter Produkte und digitale Piraterie. Doch auch die nicht autorisierte Verwendung von Markeninhalten, die Irreleitung von Traffic, falsche Angaben zur Unternehmenszugehörigkeit oder negative Anmerkungen und Aktivismus verursachen erhebliche Probleme. Der Umsatz, die Reputation und der Wert einer Marke können direkt darunter leiden.
Aufgrund dessen ist ein umfassendes, ganzheitliches Markenschutz-Programm für Markeninhaber unerlässlich. Es sollte Überwachungsdienste und Durchsetzungsstrategien umfassen, damit potenziell schädliche Inhalte von Drittparteien erkannt und rechtsverletzende Inhalte entfernt werden können. Außerdem sollte es sich über eine Reihe von Online-Kanälen wie Internet-Inhalte, Marken-Domains, soziale Medien, mobile Apps, E-Commerce-Marktplätze usw. erstrecken, da diese Bereiche zunehmend miteinander verknüpft sind und verschiedene Umgebungen bieten, in denen die gleichen Arten von Rechtsverletzungen vorkommen.
Ein wirksames Durchsetzungsprogramm geht nicht nur Probleme an, die sich direkt auf den Unternehmensertrag auswirken, sondern macht eine geschützte Marke auch zu einem weniger attraktiven Ziel für Kriminelle. Darüber hinaus trägt es zum Schutz von Kunden und offiziellen Online-Partnern bei, kann sich positiv auf den Ruf und den Wert der Marke auswirken, erfüllt die gesetzlichen Anforderungen und ist eine Voraussetzung für den Schutz des geistigen Eigentums (IP).
Im Folgenden wird beschrieben, wie ein ganzheitliches Markenschutz-Programm in vier Schritten effektiv und effizient umgesetzt werden kann.
1. Evaluierung der Risiken und Festlegung der Ziele
Zuerst muss bestimmt werden, wo es Probleme gibt und auf welche Bereiche sich die Maßnahmen konzentrieren sollten. Dazu erfolgt eine erste Bewertung der Markensituation oder Risikolandschaft, bei der eine Reihe von markenbezogenen Suchen in allen relevanten Kanälen durchgeführt wird. Auch eine Durchsuchung der Marktplätze ist hilfreich, da dabei festgestellt werden kann, wie viele Ergebnisse für markenspezifische Suchen in verschiedenen wichtigen E-Commerce-Marktplätzen gefunden werden. Die Ergebnisse können z. B. mit einer Technologie, die Bedrohungen bewertet und in Gruppen zusammenfasst (um Kriminelle zu finden, die ständig bzw. sehr viele Rechtsverletzungen begehen), Web-Traffic-Analysen sowie Umsatzvolumendaten nach Priorität geordnet werden.
Die Fokusbereiche des Programms müssen unbedingt auf den Geschäftsplan und die strategischen Ziele des Unternehmens abgestimmt werden. Sie können sich zum Beispiel auf geografische Regionen beziehen, in denen das Unternehmen tätig ist (oder eine Expansion anstrebt), oder auf Kanäle, in denen es über eine Online-Präsenz verfügt. Zudem ist es ratsam, ein digitales Governance-Team mit Experten für Marketing, geistiges Eigentum und Recht, Sicherheit sowie den Domain-Betrieb zusammenzustellen, damit kollaborativ und abteilungsübergreifend am Markenschutz gearbeitet wird.
Das für den Schutz von geistigem Eigentum relevante Unternehmensportfolio muss überprüft werden, um sicherzustellen, dass relevante Markenbegriffe geschützt werden (z. B. eingetragene Markenzeichen in den jeweiligen Produktklassen und geografischen Gebieten). Der richtige Schutz von geistigem Eigentum ist eine Grundvoraussetzung für ein effektives Programm zur Durchsetzung von Rechten. Außerdem ist eine Übersicht über die offiziellen Websites und Partner hilfreich, damit sie bei der Überwachung als zulässig eingestuft werden können und die Lösung bereits bestehender Compliance-Probleme in Angriff genommen werden kann. Sind diese Informationen nicht verfügbar, kann die Erstellung einer solchen Übersicht ein Ziel des Überwachungsprogramms sein.
Zuletzt ist es wichtig, die allgemeinen Ziele der Markenschutz-Initiativen vorab festzulegen, damit ihre Wirksamkeit gemessen werden kann. Die Ziele können einfach darin bestehen, Rechtsverletzungen zu reduzieren (d. h. eine erhebliche Anzahl davon von wichtigen E-Commerce-Marktplätzen und sozialen Medien zu entfernen) oder zu verhindern, dass Rechtsverletzungen bei Suchmaschinenergebnissen auf der ersten Seite angezeigt werden. Auch die Zunahme des Web-Traffics zu offiziellen Kanälen oder die Verhinderung von Rechtsverletzungen für geplante neue Produkte oder Marken können relevante Ziele sein.
2. Überwachung kritischer Online-Kanäle
Nach der Festlegung der wichtigsten Fokusbereiche müssen Parameter für die Überwachung vereinbart werden, z. B. welche Kanäle und Plattformen überwacht und welche Suchbegriffe verwendet werden sollen. Um die Suchen der Kunden widerzuspiegeln und die sichtbarsten Inhalte zu finden, muss mindestens nach dem Markennamen gesucht werden. Oft ist es nützlich, auch nach Inhalten mit Markenvarianten zu suchen, zum Beispiel Varianten mit Rechtschreibfehlern, Abkürzungen und ersetzten Zeichen. Dann können jene Inhalte gefunden werden, bei denen Rechtsverletzer absichtlich verwirrende oder irreführende Markenvarianten einsetzen und nicht den korrekten Markennamen verwenden, um nicht entdeckt zu werden. Darüber hinaus müssen möglicherweise auch Suchbegriffe mit anderen Markenbegriffen und/oder branchen- bzw. produktspezifischen Schlüsselwörtern berücksichtigt werden. Dann können relevante Materialien einfacher gefunden werden, wenn der Markenname einem allgemeinen Begriff entspricht. Manche Überwachungsdienste schließen zudem bestimmte Schlüsselwörter aus. Das heißt, dass sie Inhalte aktiv ignorieren, wenn die gefundenen Schlüsselwörter darauf hindeuten, dass der Markenname nicht in einem relevanten Kontext verwendet wird.
Es ist unbedingt notwendig, im Rahmen der Überwachung so viele umfangreiche Daten wie möglich aus den gefundenen Webseiten und Anzeigen zu extrahieren. Dann können die Ergebnisse effektiv nach Priorität geordnet, vorselektiert und in Gruppen zusammengefasst werden, damit wichtige Ziele und Rechtsverletzer erkannt werden. Die Daten können mit unterschiedlichen Methoden extrahiert werden, zum Beispiel mit einer regelbasierten Analyse des Seiteninhalts, mit „Scraping“, um relevante Daten von bekannten Stellen auf der Seite zu extrahieren (dies ist bei E-Commerce-Marktplätzen, sozialen Medien, Mobile App-Stores usw. besonders effektiv, da die Seitenstruktur vorab bekannt ist), oder mit einer von der überwachten Website bereitgestellten API. Bei Anzeigen auf E-Commerce-Marktplätzen zählen unter anderem die Verkäuferdaten, die Artikelmenge, das Artikelangebot, der Preis und die Artikelbeschreibung zu den relevanten Datenpunkten. Aggregierte historische Daten über einzelne Verkäufer – wie etwa die Anzahl der früheren Rechtsverletzungen und die frühere Durchsetzung von Rechten gegen den Verkäufer – liefern ebenfalls Hinweise auf das mit dem Verkäufer verbundene Gesamtrisiko. Bei besonders bedenklichen Fällen können detaillierte Untersuchungen einen umfassenderen Überblick über das Online-Profil und die damit verknüpften Tätigkeiten eines bestimmten Verkäufers oder Unternehmens bieten.
Darüber hinaus können sichtbare Merkmale (z. B. Anzeichen für Fälschungen) im Produktbild Aufschluss darüber geben, ob eine Anzeige Rechte verletzt. Sie werden sowohl einer automatisierten Bildanalyse unterzogen als auch manuell von einem Analysten untersucht.
Im Allgemeinen ist es ebenfalls nützlich, den sichtbaren Seiteninhalt für alle relevanten Ergebnisse mithilfe von Momentaufnahmen oder Zwischenspeicherungen zu dokumentieren. Dann kann belegt werden, dass zum Zeitpunkt der Analyse eine Rechtsverletzung vorlag.
3. Durchsetzung der Rechte mit den wirkungsvollsten Strategien
Ein wichtiges Ziel von Markenschutz-Programmen ist, rechtsverletzende Inhalte zu entfernen, die Umsatzverluste für eine Marke verursachen oder ihre Integrität und Reputation beschädigen könnten. Um ein Katz-und-Maus-Spiel zu vermeiden, ist es am wirkungsvollsten, zuerst die lukrativsten Ziele zu identifizieren und mit der effizientesten Takedown-Methode anzugehen. Welche Methode am effizientesten ist, hängt von dem Kanal, der Plattform und der Art der Rechtsverletzung ab.
Manche Plattformen verfügen über spezielle Programme zum Schutz von geistigem Eigentum, die der Entfernung markenschädigender Inhalte dienen (z. B. AliProtect für Websites der Alibaba Group; VeRO für eBay). Der clevere Einsatz dieser Programme kann die Wirkung der Durchsetzungsmaßnahmen verstärken. So können Takedowns zum Beispiel zusammengefasst werden, um eine schnellere Suspendierung von Verkäufern zu erreichen und die Regel eines Marktplatzes auszunutzen, dass Verkäufer nach drei Verstößen gesperrt werden. Manche Plattformen verfügen auch über Bona-fide-Programme, die Markeninhabern bzw. ihren Vertretern schnelle Takedowns ermöglichen, wenn die von ihnen beanstandeten Rechtsverletzungen selten falsch positiv sind. Über Amazons Brand-Registry- und Brand-Gating-Programme können Markeninhaber zum Beispiel die Anzahl der Rechtsverletzungen proaktiv reduzieren.
Für andere Internetinhalte ist es empfehlenswert, mehrere verschiedene Durchsetzungsansätze einzusetzen – von kostengünstigen, wenig komplexen und schnellen primären Maßnahmen wie Unterlassungsaufforderungen über sekundäre Maßnahmen wie die Entfernung von Inhalten auf Host-Ebene oder Suspendierungen auf Registrar- oder Registrierungsbehörden-Ebene bis zu längerfristigen und komplexen tertiären Ansätzen wie Domain-Dispute-Prozessen und Gerichtsverfahren. In manchen Fällen können andere Methoden wie die Suspendierung von Zahlungsportalen oder die Streichung aus Suchmaschinenergebnissen angemessen sein. Wenn einem Markeninhaber verschiedene Durchsetzungsoptionen zur Verfügung stehen, kann er zuerst den kostengünstigsten und effizientesten Ansatz auswählen und erst dann auf andere zurückgreifen, wenn eine Eskalation erforderlich ist. Manche der komplexeren Anfechtungs- oder Kaufoptionen sind möglicherweise nur angemessen, wenn der Markeninhaber eine Domain selbst verwenden möchte.
Andere ergänzende Maßnahmen können helfen, ein höchst effizientes und wirkungsvolles Durchsetzungsprogramm aufzubauen, z. B. Testkäufe, um nachzuweisen, dass ein Produkt gefälscht ist, die Zusammenarbeit mit lokalen Strafverfolgungsbehörden oder die Erstellung von Vereinbarungen zu Wiederverkäuferrichtlinien.
4. Evaluierung der Auswirkungen und Neuausrichtung der Strategien
Wenn das Markenschutz-Programm bereits eine Weile im Einsatz ist, können Markeninhaber seine Auswirkungen mit einer Vielzahl von Methoden evaluieren. Viele dieser Methoden messen den finanziellen Return on Investment (ROI) der ergriffenen Maßnahmen. In die Berechnung des ROI fließen der Gesamtwert der von E-Commerce-Marktplätzen entfernten rechtsverletzenden Waren und/oder das Gesamtvolumen des von rechtsverletzenden Websites empfangenen Web-Traffics ein. Um den ROI belegen zu können, ist es wichtig, den verlorenen Umsatz zu berechnen, der nach der erfolgreichen Durchsetzung zurückgewonnen werden kann. Nach der Entfernung von Artikeln auf E-Commerce-Marktplätzen wird dabei die „Konvertierungsrate“ der Kunden berücksichtigt, die einen legitimen Artikel kaufen, wenn die gefälschte Version nicht mehr verfügbar ist. Diese Konvertierungsrate hängt von dem Preis des Artikels ab – oder, genauer gesagt, vom Preisunterschied zwischen dem echten Artikel und der Fälschung. Nach einem erfolgreichen Domain-Erwerb kann hingegen der Traffic für die rechtsverletzende Website zur offiziellen Website des Markeninhabers umgeleitet (und dadurch monetarisiert) werden, sobald die Domain zum offiziellen Portfolio des Markeninhabers hinzugefügt wurde.
Infolge einer erfolgreichen Umsetzung eines Durchsetzungsprogramms können Markeninhaber auch andere positive Ergebnisse messen, unter anderem den Anstieg des Web-Traffics und Umsatzvolumens ihrer offiziellen Websites, Wiederverkäufer und Partner. Außerdem können sie überprüfen, ob Suchmaschinen und andere Plattformen bei markenspezifischen Suchen keine rechtsverletzenden Inhalte anzeigen.
Selbst wenn eine Durchsetzung nicht möglich ist, bringt es Vorteile mit sich, mithilfe einer Überwachungslösung herauszufinden, welche Ansichten online über eine Marke geäußert werden. Mit Informationen über negative Kundenkommentare können Markeninhaber zum Beispiel fundierte Entscheidungen zu ihren Marketing- und Produktentwicklungsstrategien treffen. Durch die Überwachung werden auch Probleme wie Markenverwirrung und Markenverwässerung aufgedeckt.
Wenn neben dem Markenschutz-Programm noch andere Maßnahmen gesetzt werden, zum Beispiel Kunden aufgeklärt und Produktverifizierungs-Tools genutzt werden, sind Kunden besser vor nicht legitimen Produkten und Inhalten geschützt. Dies kann sich insgesamt positiv auf das Vertrauen und den Eigenwert der Marke auswirken.
Bei neuen Beobachtungen, Trends oder Änderungen der Geschäftsstrategie ist es empfehlenswert, den Prozess zu überprüfen und die Strategien neu auszurichten. Es kann etwa sein, dass neue Kanäle oder Plattformen entstehen oder zusätzliche Takedown-Methoden verfügbar werden (z. B. ein neu eingeführtes Programm zum Schutz von geistigem Eigentum). Ein Markeninhaber kann neue Marken und Produkte einführen, seine geografische Präsenz ändern oder sein geschütztes geistiges Eigentum erweitern (z. B. durch die Registrierung neuer Markenzeichen). Auch die Muster der Rechtsverletzungen können sich im Laufe der Zeit ändern, da Verkäufer zu anderen Marktplätzen wechseln oder ihre Beschreibung der Produkte ändern (manchmal aufgrund von Durchsetzungsmaßnahmen des Markeninhabers). Neu aufkommende Technologien und bedeutende Weltereignisse können sich ebenfalls auf Rechtsverletzungen auswirken.
Alle der oben genannten Faktoren können dazu führen, dass ein ganzheitliches Markenschutz-Programm angepasst werden muss, damit es fokussiert, relevant und effektiv bleibt. Aus diesem Grund sollte der Ansatz für den Markenschutz einem sich ständig wiederholenden Kreislauf entsprechen. Markeninhaber sollten Tätigkeiten und Trends genau im Auge behalten und ihre Methoden ständig weiterentwickeln, wenn Veränderungen auftreten.
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